Flesh
Autor SZALAY, David
Verlag London: Jonathan Cape 2025
Das ist also der Gewinner des Booker 2025, und Österreich darf sich mitfreuen, denn der in Kanada geborene Autor lebt derzeit in Wien.
„Flesh“ ist Szalays sechstes Buch und erzählt vom Leben Istváns, der in Ungarn aufwächst und zu Beginn des Romans 15 ist.
Wir erleben István gleichsam im pikaresken Stationenbetrieb und nicht etwa als Protagonisten eines modernen Bildungsromans.
Erste Station: Der 15-jährige István fügt sich in ein Verhältnis mit der Nachbarin (42), die er als alt empfindet und vor der ihm gleichzeitig graust und der er verfällt. Eine Auseinandersetzung bringt ihn ins Jugendgefängnis; nach der Entlassung nimmt er an Schmuggeleinsätzen teil, verliebt sich erneut erfolglos und beschließt: “A few months later, still unable to find anything else, he joins the army”.
Im nächsten Abschnitt kehrt er aus dem Irakkrieg zurück, wohnt bei seiner Mutter und leidet an PTSD. Später finden wir ihn in London wieder, er arbeitet als Chauffeur für ein reiches Ehepaar in Chelsea. Es beginnt ein Verhältnis mit der Ehefrau, Helen, die ihn nach dem Tod ihres Mannes heiratet. Deren erster Sohn kann István nicht leiden, dieser hat aber mit Helen einen weiteren Sohn, Jakob. Mehr oder weniger dreht sich der Rest des Romans um István und Helen, um das Leben im plötzlichen Reichtum, den István durch Immobilien zu mehren sucht. Letztendlich aber finden wir ihn in Ungarn wieder, der Roman endet mit einem lakonischen Schlusssatz.
Lakonie kann auch als ein Überbegriff für diesen Roman stehen. Istváns gleichgültige Handlungsweisen, die sehr an Camus‘ L’Étranger erinnern, drücken sich auch sprachlich ganz klar aus. „Yes“, „I don’t know“, „okay“ sind die häufigsten Antworten, die István gibt, auch wenn er gefragt wird, wie der Krieg war: „It was okay.“ Selbst die beiden Söhne geben sich ähnlich unkommunikativ, alle drei erinnern an den Wortschatz der TikTok Generation, wenn es um Fragen der Erwachsenen geht. „Wie war die Schule/Party/etc.?“ „Gut.“
Das andere große Thema ist Sex. Von Anfang an wird über Sex nachgedacht, wird onaniert und miteinander geschlafen, wobei bei István fast immer, neben dem Vergnügen, ein gerüttelt Maß an ‚disgust‘ dabei ist. Aber dass hier „matter over mind“ gilt, signalisiert schon der Titel. Alles in allem eine interessante Wahl für den Booker.
pp. 349 (Gegenwartsliteratur)