Every One Still Here

Autor NÍ CHUINN, Liadan

Verlag London: Granta 2025

Ní Chuinn (they; angeblich ein Pseudonym) versammelt in diesem schmalen Band sechs Kurzgeschichten; die Irish Times lässt uns wissen: „Deserves to be considered among the best Irish books of the 21st century.”

Das scheint nun doch etwas übertrieben, aber es ist eine Tatsache, dass die Geschichten lange nachwirken und das Gefühl hinterlassen, nirgendwo kann man sicheren Boden betreten. Dies ist nicht nur der Gewalt in Nordirland zuzuschreiben, auch der Alltag wirkt brüchig, bisweilen skurril. In „Mary“ etwa begegnen wir einem kleinen Mädchen, das immer im Bus unterwegs ist, von Passagieren gegrüßt wir, aber keiner weiß, ob das Mädchen wirklich Mary heißt. Kein Zufall, dass die besprochene Person (‚you are here…‘) mit seiner Arbeit in einer Schreibwerkstatt zum Scheitern verurteilt ist. Oder in der ersten Geschichte etwa wirkt die Vergangenheit auf Jackie, die Gewalt im Alltag, die Tatsache, dass seine hochschwangere Mutter von einer Terrorgruppe aus dem Auto gezwungen wurde. In allen Geschichten schwebt Faulkners Diktum: “The past is never dead. It’s not even past.”

Wirklich handfest und mit Schrecken erleben wir die Troubles in der letzten Geschichte, „Daisy Hill“; Ní Chuinn hängt an den Kurzgeschichtenteil einen Abschnitt an, „The Truth“ betitelt. Auf wenigen Seiten beschreibt er/sie, wie britische Soldaten etwa 50 Kinder, Jugendliche und Frauen zum Teil aus Jux und Tollerei, oft mit der Begründung, alle seien Terroristen gewesen, erschießen. Von offizieller Seite werden sie dafür belobigt. Das erinnert uns doch an etwas?

pp. 148 (Gegenwartsliteratur)

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
03.09.2025
Link
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nein