Train Man

Train Man ist Kult in Japan – und lässt sich naturgemäß auch in einer Manga-Serie nachlesen. Wer aber zum Roman greift, wird überrascht sein, nicht so sehr wegen der einigermaßen banalen Geschichte, sondern wegen der Erzählform.
Die Geschichte ist, wie gesagt, einfach. Ein Computergeek (im Japa ...

Train Man ist Kult in Japan – und lässt sich naturgemäß auch in einer Manga-Serie nachlesen. Wer aber zum Roman greift, wird überrascht sein, nicht so sehr wegen der einigermaßen banalen Geschichte, sondern wegen der Erzählform.

Die Geschichte ist, wie gesagt, einfach. Ein Computergeek (im Japanischen ein Otaku) lernt durch Zufall im Zug ein Mädchen, Hermes, kennen. Als die ersten schüchternen Annäherungsversuche beginnen, ist er ziemlich hilflos und fragt in einem Thread die Community um Rat. Die stürzt sich auf seine Geschichte – und schon sind, bei allerlangsamster japanischer Beziehungsentwicklung, die 400+ Seiten fertig.

Für uns europäische Leser/innen ist das einmal ein Einblick in eine andere Kultur, in die Ängste und Freuden eines bestimmten Segments der 20- bis 30-Jährigen. Gleichzeitig ist es aber auch ein Einblick in ein bestimmtes Segment der Computerkultur. Etwa zwei Monate verfolgen wir nicht nur die keimende Liebesbeziehung, wir verfolgen vor allem, was die Community so draus macht. Da ist sehr viel distanzierte Partizipation dabei (was Chats so aufregend macht, die absolute Nähe bei gleichzeitig absoluter physischer Distanz), da findet vor allem aber auch ein Austoben auf einer vielfach ungewohnten sprachlichen Ebene statt. Damit sind nicht die üblichen Kürzel gemeint, sondern eine seltsam-martialische (und leicht nervende) Sprache einerseits, eine stark visuelle Kommunikation andererseits. Was da mit ASCII-Codes, aber einfach auch mit diversen (Sonder)Zeichen gestaltet wird, ist atmenberaubend. Vor allem dann, wenn die eigentlichen Erfolgsmeldungen eintreffen, explodiert die Community förmlich – und zwar vorwiegend visuell (das sorgt auch für raschere Lektüre).

Train Mans Glück ist jedoch gleichzeitig der Spiegel für die anderen User/innen. Wenn da gepostet wird: "Ich bin zwar echt einsam, aber wenn ich die Liebesgeschichte eines anderen mit so viel Herzklopfen miterleben darf kann ich doch eigentlich ganz zufrieden sein." (261) Das reduziert den formal aufregenden Roman inhaltlich eigentlich auf eine "Das Goldene Blatt"-Ebene. Und das ist das wirklich Traurige an der Erfolgsgeschichte.

Wegen des ungewöhnlichen Formats: Nicht versäumen!

Carlsen 2007

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.04.2008
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/julit-deutsch/beziehungen/detail/train-man.html
Kostenpflichtig
nein